Von Paul Schmidt
Band 1 der Südwestschach-Reihe, herausgegeben von Dr. W. Lauterbach
85 Seiten, gebunden, 1949
Walter Rau Verlag
DER SÜDWESTSCHACH-REIHE ZUM GELEIT!
Die Südwestschach-Reihe verdankt ihre Entstehung einem glücklichen Zufall. Vor Monaten erfuhr der Herausgeber im Gespräch mit Meister Paul Schmidt, daß dieser seit geraumer Zeit ein nahezu druckfertiges Manuskript besitze. Technische Schwierigkeiten hatten die Herausgabe immer wieder verhindert, und der Meister hatte beinahe selbst die Freude an seiner Arbeit verloren. Ein Blick in den Entwurf zeigte, daß hier keine alltägliche Partiesammlung und kein Lehrbuch herkömmlichen Stils vorlag. Vielmehr wurde das Thema „Logik und Intuition im meisterlichen Schach“ aus reichem Wissen und langer praktischer Erfahrung heraus gründlich und meisterhaft angepackt. Die Methode war pädagogisch besonders glücklich gewählt: beide Partner entwickeln laut denkend unter den Augen des Kritikers ihre Gedankengänge. Das ist es ja, was der ernsthaft interessierte Turnierspieler braucht und sucht: einen Leitfaden, der ihn verläßlich durch das Labyrinth der modernen Meisterpartie bis ans Ende begleitet. Mit der beliebten lakonischen Bemerkung „und Weiß steht besser“ ist ihm nicht gedient. Er möchte wissen: warum steht Weiß besser? Und: wie muß er spielen, um seinen Stellungsvorteil in Partiegewinn auszumünzen? Um die Lösung dieser Fragen geht es Paul Schmidt, so oft er eine Partie glossiert. Und in dem vorliegenden Manuskript fand der Herausgeber das Bemühen, systematisch einen Blick hinter die Kulissen der modernen Meisterpartie zu vermitteln, zum Prinzip erhoben. So meinte er, dem Turnierspieler, der nach den ersten Erfolgen tiefer eindringen will in die Geheimnisse des Schachs, die Herausgabe dieses Buches schuldig zu sein. „Schachmeister denken!“ soll zugleich das Programm umreißen, dem die Südwestschach-Reihe dienen will: die Gedankenwelt des Schachmeisters und ihre Gesetze dem lernbegierigen Jünger dieser Kunst zugänglich zu machen und dem Schach neue dauernde Freunde zu gewinnen.
Der Herausgeber
VORWORT
Dieses Buch will kein Lehrbuch einer bestimmten Partiephase, sei es der Eröffnung, des Mittelspieles oder Endspieles, sein.
Es soll vielmehr nur möglichst naturgetreu das Denken in der Turnierpartie widerspiegeln, sei es nun schachlich oder psychologisch begründet.
In erster Linie wendet sich die Schrift an den angehenden Turnierspieler, dem zwar schon die grundlegenden Begriffe des Schachkampfes – wie z. B. Bauernschwächen, rückständige Entwicklung, der „bessere“ Läufer oder die „7. Reihe“ – geläufig sind, dem aber noch die Kunst des Meisters unverständlich ist, eine Schachpartie so zu lenken, daß diese Elemente des Sieges im Verlaufe der Partie zwangsläufig auftreten müssen.
Ich war daher bemüht, in den Anmerkungen den logischen Gedankengang sichtbar werden zu lassen, der erforderlich ist, um überhaupt erst einen guten Zug erfinden zu können. Mag diese Gedankenarbeit auch in vielen Fällen, und gerade bei den besten Spielern, unbewußt verlaufen, so daß der gewählte Zug das Ergebnis reiner Intuition zu sein scheint, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß auch dieses unbewußte Denken durchaus logisch verläuft und bei einer nachträglichen Analyse wenigstens in seinen Grundzügen aufgedeckt werden kann.
Wenn ich aber im folgenden den Weißen oder Schwarzen „laut denken“ lasse, so soll dies nicht etwa heißen, daß ich damit glaube, die tatsächlichen Gedankengänge der Meister in der betreffenden Partie in allen Einzelheiten wiedergeben zu können. Die Anmerkungen stellen vielmehr in jedem einzelnen Falle nur jene Überlegungen dar, die ich selber in einer Turnierpartie Zug für Zug angestellt hätte.
Die Auswahl der Beispiele erfolgte im allgemeinen zugunsten jener Partien, in denen nicht durch Versehen die Möglichkeit zu plötzlichen kombinativen Entscheidungen geboten wurde, die, so gehaltvoll sie auch an sich sein mögen, doch mit der Partie in keinem inneren Zusammenhang stehen, sozusagen nicht organisch aus ihr hervorgegangen sind. Damit soll aber ganz und gar nicht gesagt sein, daß der Leser hier nur trockene Positionspartien findet. Im Gegenteil: um einen schachlichen Gedanken wirklich anschaulich werden zu lassen, mußte ich jene Partien aussuchen, in denen verschiedene Anschauungen über dieselbe Stellung aufeinanderprallen, d. h. in denen zwei hervorragende Meister die Chancen für Weiß und Schwarz verschieden beurteilen. Das muß dann aber ganz von selbst zu sehr interessanten Partien führen.
Zu besonderem Dank bin ich Meister Kurt Richter verpflichtet, der mich mit vielen wertvollen Anregungen unterstützte.
Heidelberg, im Mai 1949
Paul Schmidt
INHALTSVERZEICHNIS
- Vorwort
- Das Gleichgewicht in der Schachpartie
Dr. Euwe – Dr. Aljechin, AVRO 1938
- Die Eröffnung
Dr. Euwe – Aljechin, Match 1937
- Ein strategisches Kunstwerk
Keres – Dr. Euwe, Match 1940
- Der Angriff
Partien? gegen?
- Der Gegenangriff
Dr. Euwe – Keres, Match 1940
- Zwischen Remis und Verlust
Dr. Aljechin – Flohr, AVRO 1938
- Das Turmendspiel
Keres – Eliskases, Noordwijk 1938
- Versäumtes Gegenspiel
Eliskases – Keller, Oeynhausen 1939
- Das Risiko
Dr. Euwe – Eliskases, Noordwijk 1938
- Bestrafter Optimismus
Botwinnik – Capablanca, AVRO 1938
- Hinter den Kulissen der Eröffnung
Dr. Aljechin – Junge, Salzburg 1942
- Beherrschung des Zentrums
Richter – Eliskases, Nauheim 1936
- Zum Remis verkorkst
Keres – Dr. Aljechin, AVRO 1938
- Das Musterbeispiel
Fine – Botwinnik, AVRO 1938
- Entstehungsgeschichte einer Kombination
Schmidt – Willard, Estland 1937
Theoretischer Nachtrag