Von Siegbert Tarrasch
488 Seiten, gebunden, 2006
Anaconda Verlag
Vorwort zur Neuausgabe
Der Tod Siegbert Tarraschs am 17. Februar 1934 fällt in den Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft und kennzeichnet das Ende einer glanzvollen Ära des deutschen Schachs. Geboren am 5. März 1862 in Breslau erlernte Tarrasch relativ spät erst im Alter von 15 Jahren das Schachspiel, wurde aber bald ein sehr erfolgreicher Spieler. Nach dem Studium der Medizin in Berlin praktizierte er als Arzt in Nürnberg und später in München. Der Beruf hielt ihn aber nicht davon ab, als professioneller Schachspieler zu wirken. Aufgrund seiner zahlreichen Turniererfolge galt er am Ende des 19. Jahrhunderts als einer der besten Spieler der Welt.
Hinzu kam eine umfangreiche publizistische Tätigkeit. Tarrasch schrieb für zahlreiche Tages- und Schachzeitungen und war Autor einer ganzen Reihe von bis heute wegweisenden Turnier- und Lehrbüchern. Seine unterhaltsame und pointierte Art der Darstellung prägte ganze Generationen von Schachspielern. In seinen Büchern 300 Schachpartien und Die Moderne Schachpartie formulierte er die Grundprinzipien der klassischen Schachtheorie. Manche seiner Lehrsätze wurden geradezu sprichwörtlich und sind für viele Schachfreunde bis heute gültige Regeln.
Sein letztes, 1931 zuerst veröffentlichtes Buch war zugleich sein erfolgreichstes: Das Schachspiel - Systematisches Lehrbuch für Anfänger und Geübte. Nicht umsonst erfreut es sich anhaltender Popularität und ist mit einer Gesamtauflage von mehr als 130.000 Exemplaren eines der meist verkauften deutschsprachigen Schachbücher überhaupt: ein Klassiker der Schachliteratur.
Tarrasch begreift sein Buch als einen Grundkurs, um Schach effektiv und mit Verstand spielen zu lernen. Er verlangt von seinen Lesern die Bereitschaft zur Anstrengung und die notwendige Ausdauer. Für Tarrasch muß man zum Schachspielen nicht geboren sein, sondern kann es erlernen. So beginnt Tarrasch mit der Erläuterung der Grundregeln, um dann »vom Einfachen zum Schweren« die wichtigsten Endspiele, danach häufige Mittelspiel-Kombinationen und typische Motive und erst zum Schluß die Eröffnungen abzuhandeln.
Um den Lehrbuchcharakter des Buches zu erhalten und für den Leser die stets aktuelle Theorieentwicklung wiederzugeben, wurde die Erstauflage von 1931 später im allgemeinen Teil gestrafft und der Eröffnungsteil aktualisiert. Damit wurde aber - leider zum Nachteil der ursprünglichen Systematik - der Lehransatz von Tarrasch verzerrt. Diese Neuausgabe vertraut auf die Kraft des Originals und bringt Das Schachspiel erstmalig seit Erscheinen in einer unveränderten Neuausgabe. Trotz einiger überzogener Behauptungen, Anklänge von Dogmatismus und einer nicht mehr den aktuellen Stand der Schachtheorie wiedergebenden Sicht der Eröffnungen wirkt Das Schachspiel 75 Jahre nach seinem ersten Erscheinen immer noch erstaunlich vital, lehrreich und frisch. Nach wie vor bietet es dem Anfänger den Beginn einer lebenslangen Freundschaft und bereichert auch den Fortgeschrittenen um einige der interessantesten theoretischen Positionen.
Lukas Moritz